Sonntag, 16. Mai 2010

Berührungslos betrügen

Es ist zweifelslos eine interessante Technik: Berührungsloses Bezahlen Dank Karten mit NFC Chips. Die Technik ist nicht neu, wurde aber bis vor kurzem vor allem in geschlossenen Systemen wie Kantinen, Bibliotheken und Firmen eingesetzt. Doch jetzt halten die sogenannten Contactless Cards Einzug in die ganz normalen Bezahlkarten: Immer mehr MasterCard und Visa Karten werden mit der NFC Technologie ausgerüstet und erlauben an speziellen Terminals das kontaklose Bezahlen.

In Deutschland (Lufthansa und Payback), Frankreich (vor allem Carrefour) und Schweiz ist MasterCard Vorreiter, während in Großbritannien Konkurrent Visa die Nase vorn hat. Gemeinsam haben alle Projekte, dass sie das Bezahlen im Handel, im Restaurant oder auf Reisen beschleunigen sollen. Neben dem schnelleren weil berührungslosen Auslesen der Kartendaten wird dies vor allem durch den Verzicht auf jegliche Karteninhaber-Authentifizierung erreicht: Im Rahmen von bestimmten Betrags- und Transaktionslimiten muss werder eine PIN eingegeben nich ein Beleg unterschrieben werden. So kann der Kassiervorgang auf wenige Sekunden reduziert werden.

Doch, so fragen sich nicht nur Technik-kritische Beobachter, wie stehts dann mit dem Betrugsrisiko? Ja, die Unterschrift ist als Authentifizierungsmethode wenig tauglich und PIN ist bis heute bei Kreditkartenzahlungen in Deutschland unüblich. Aber wird es hier Betrügern nicht doch etwas zu einfach gemacht, und das gerade in Zeiten, in denen die Betrugsausfälle bei Kartenzahlungen alle Rekorde brechen? Alles kein Problem, so die Kartenorganisationen und die entsprechenden Emittenten. Intelligente Präventionssysteme und neueste Technik würden das Risiko minimieren, und auf Grund der Betragslimitierung ist der potentielle Schaden begrenzt. Doch wie es um die Intelligenz der Betrugsfrüherkennungssysteme gestellt ist kann jeder Kartenemittent anhand seiner eigenen Betrugskosten sehr schnell nachvollziehen. Und die Betragslimitierung ist wohl nur ein vorläufiger Wert, wie der Muttermarkt aller Kreditkartenzahlungen USA gezeigt hat, wo in kürzester Zeit die Limite für Autorisierung und Karteninhaberprüfung auf stolze 50USD angehoben wurden. Hinzu kommt: Gerade in Deutschland ist es üblich, alle Schäden, die nicht eindeutig zu Lasten der Bank zu gehen haben, dem Endkunden aufzubürden. Damit ist auch bei PayPass bzw. PayWave zu rechnen, wie ein Blick in die AGBs der DKB und der WestLB bereits zeigt - diese wälzen das zusätzliche Risiko, dass durch die PayPass Technologie entsteht, vollständig auf den Karteninhaber ab.

Zu den normalen Zahlugsrisiken kommen noch bis jetzt unbekannte Faktoren: Wie steht es mit der Möglichkeit, im Vorbeigehen - zum Beispiel in der U-Bahn - von Karten, die noch in der Brieftasche stecken, Beträge abzubuchen? Oder die Tatsache, dass sonst als vertraulich behandelte Daten wie Kartennummer und Verfalldatum auf die gleiche Weise ausgelesen werden können, ohne dass der Karteninhaber dies mitbekommt? Bis jetzt sind solche Fälle nicht in größerem Ausmaß bekannt geworden, doch ist bei weiterer Verbreitung von Contactless Cards sehr wohl damit zu rechnen.

Wenn also das Risiko steigt, wo liegen dann die Vorteile, die dies rechtfertigen würden? Zunächst natürlich bei der Karten-ausgebenden Bank: Sie generiert Erträge aus zusätzlichen Umsätzen und kann vielleicht sogar eine höhere Kartengebühr verlangen. Darüber hinaus bietet die Technik große Vorteile für den Händler, da der Kassiervorgang beschleuningt werden kann, was natürlich Kosten spart. Ob es sich für den Händler auch rechnet ist dann lediglich eine Frage der Gebührenhöhe, wobei sich Banken hier bereits verhandlungsbereit gezeigt haben, wie die neuesten MasterCard Interchange Sätze mit Sonderregelungen für PayPass zeigen.

Bleibt die Frage nach dem Vorteil für den Kunden:  Die zusätzlichen Erträge der Banken kommen hier ganz sicher nicht an. Gleiches dürfte auch für eventuelle Kostenvorteile des Einzelhandels gelten. Und ob Otto Normalverbraucher so sehr daran interessiert ist, noch schneller bei Alid & Co. abkassiert zu werden darf bezweifelt werden. Also kann man wohl sagen, dass derjenige, der das deutlich gestiegene Risiko des Kontaklosen Bezahlens trägt, wenig von den Vorteilen profitiert - der Kunde. Zum Glück kann es eben auch dieser Kunde entscheiden, ob er das System nutzt oder nicht. Und genaus hier sollten Banken und Händler ansetzen, wenn sie die Investitionen in das System wieder sehen wollen:  Dem Karteninhaber gute Gründe geben, warum er zukünftig kontaklos bezahlen soll - und sicherstellen, dass er nicht nur berührungslos betrogen wird.

1 Kommentar:

  1. Ich habe die Lufthansa FTL Karte mit Paypass einfach so zugeschickt bekommen, ohne daß ich sie wollte. Hab bei der hotline nachgefragt, die sagten es besteht kein Risiko.

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